agra-Park
Grünes Kleinod mit einst internationalem Flair – Der agra-Park
Der agra-Park spielt für die Entwicklung und den Bekanntheitsgrad von Markkleeberg eine wichtige Rolle. Heute ist er das umfassendste und weitgehendst erhaltene Parkensemble in der Stadt.

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Vom den Anfängen des Villengartens
Das Areal zwischen Raschwitz und Oetzsch auf der einen bzw. Leipzig-Dölitz und Alt-Markkleeberg auf der anderen Seite der Pleißenaue hat seinen gestalterischen Ursprung im Herfurthschen Landschaftspark.
Paul Herfurth (1855-1937) erwarb 1889 von Walter Kees die Wiesen zwischen Städtelner, heute Raschwitzer Straße und Pleiße.
Er wurde am 3. Juni 1855 als Sohn einer vermögenden Handels- und Tuchfabrikantenfamilie geboren, die ursprünglich im sächsischen Hainichen und von 1830-1845 in Chemnitz als Firma „Gebrüder Herfurth” ihre Fabrikation betrieb. Zunächst war er im väterlichen Unternehmen in Chemnitz tätig, dazu Alleininhaber der Firma A. Glaser mit einer Weberei in Hainichen und einer Stoffdruckerei in Penig. Zudem war Paul Herfurth als Kommanditist an der Firma „Edgar Herfurth und Co.”, dem Verlag der erfolgreichen Leipziger Neusten Nachrichten beteiligt, den sein Bruder Edgar leitete. Die Zeitung avancierte zur größten deutschen Tageszeitung außerhalb Berlins und erzielte bedeutende Umsätze.
Neben seinen unternehmerischen Tätigkeiten war Paul Herfurth Königlich-Württembergischer Konsul, Ehrensenator der Leipziger Universität, langjähriger Handelsrichter, Abgeordneter der zweiten Sächsischen Kammer, Domherr des Domstifts zu Wurzen, Mitglied des Leipziger Kunstvereins, Angehöriger der einflussreichen Gesellschaft der „Vertrauten“ u.a.m.
Neben der Stadtvilla in der Leipziger Karl-Tauchnitz- Straße 11, heute Galerie für zeitgenössische Kunst, ließ die Familie Herfurth Raschwitz bis 1905 zu einem Villengarten umgestalten und drei Wohngebäude westlich des Dammweges aufführen, das neoklassizistische sogenannte Weiße Haus als Hauptwohngebäude und als Nebengebäude für den Sohn das kriegszerstörte „Kleine Haus Raschwitz” an der heutigen Raschwitzer Straße, östlich davon das „Schweizer Haus”. Den Herfurths und ihren engeren Mitarbeitern gehörten darüber hinaus Villen in der Raschwitzer- und Parkstraße.
Das Weiße Haus nimmt den höchsten Punkt des Parks ein und wurde 1896/97 nach Plänen des Raschwitzer Architekten Gustav Hempel erbaut. Hinsichtlich der architektonischen Gestalt wird das 1764/65 errichtete Petit Trianon in Versailles zitiert, das Ludwig XV. von Frankreich für seine Mätresse, Madame Pompadour, bauen und das Königin Marie Antoinette im Geiste Rousseauscher Philosophie ausbauen und von einem Landschaftspark umgeben ließ, was wiederum Niederschlag in Raschwitz fand. Beeindruckend die Front zur Straßenseite, wo ganz nach Versailler Vorbild eine freistehende kolossale Säulenordnung das Haus ziert. Vor der repräsentativen Ostfassade lag eine Terrasse mit vorgelagertem Platz, von dem aus ein breiter Weg zum Pleißeufer führte, in dessen Mitte ein Rondell mit Springbrunnen und Steinbänken zum Verweilen einlud.
Der Landschaftsgarten ermöglichte einen Blick über Wiesen und Baumgruppen auf Seen und Parkteiche, ein geschwungener Rundweg erschloss die Anlage, weitere schmale Pfade ergänzten das Wegenetz.
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Von der Jahrhundertwende bis 1950
In den 20er Jahren konnte der Park über den Flusslauf der Pleiße auf Dölitzer Flur ausgedehnt und eine Verbindung zu den Anlagen des Dölitzer Schlossgartens hergestellt werden. Paul Herfurth erwarb zu diesem Zwecke von den Lampe-Vischers die Ländereien zwischen Pleiße, Pleißemühlgraben und Dölitzer Holz, die bis dato zum alten Herrenhaus Raschwitz, heute Turmblick, gehörten.
Auf dem neu erworbenen Gebiet wurden nur wenige gestalterische Eingriffe unternommen. Einige Baumarten wurden gepflanzt beziehungsweise vorhandene Gehölze in die Gestaltung einbezogen, den größten Teil nahmen ausgedehnte Wiesenflächen ein. Drei Pleißebrücken dehnten das geschwungene Wegesystem auf den neuen Parkteil aus, die Hauptachse führte vom Weißen Haus über die Pleiße und endete in einem kleinen Platz.
Am Ostufer des Pleißewehres entstand ein halbrunder Antentempel mit vier ionischen Frontsäulen. Das Brunnenrondell schmückten sechs Plastiken. Den östlichen Abschnitt der Wegachse vom Weißen Haus her flankierten neun Musenplastiken, weshalb die Allee auch die Bezeichnung Musenallee erhielt. Die Figuren aus Muschelkalk, vom Bildhauer Fritz Walter Kunze ca. 1890 angefertigt, sind Kopien von Rokokofiguren, deren Originale sich im Park von Veitshöchheim bei Würzburg befinden. Den Dammweg und die Hauptachsen schmückten zudem Sandsteinvasen, die mit Agaven und Petunien bepflanzt waren. Der Teich konnte zu dieser Zeit mit Booten befahren werden. Die große Wiese südlich der Villa wurde von Rotbuchen dominiert und erhielt daher den Namen „Buchenwiese“. Bald waren große Teile des Parks zu bestimmten Zeiten, insbesondere im Winter zum Schlittschuhlaufen, auch öffentlich zugänglich, was ihm zu seiner großen Popularität schon ab den 20er Jahren verhalf.
Einen Wandel, der geprägt war durch die Austragung der Gartenbau- und Landwirtschaftsausstellungen, erfuhr die Anlage nach dem Tode von Paul Herfurth 1937 und nach der Enteignung der Familie 1945. Markkleeberg veranstaltete 1946 als erste Stadt Deutschlands nach dem Krieg eine Gartenbauausstellung, die von ansässigen Gärtnern sowie der „Genossenschaft zur Förderung des Gartenbaus” auf dem Markkleeberger Rathausplatz initiiert und durchgeführt wurde. Auf der dreitägigen Lehr- und Leistungsschau konnte der Besucher den Obst- und Gemüseanbau unter optimaler Ausnutzung des Bodens studieren. Die erste Schau war bereits mit 35.000 Schaulustigen gut besucht und für die 200.000 Besucher der zweiten Gartenbauausstellung 1947 erwies sich das Gelände als zu klein. Die Veranstalter suchten nach einem größeren Standort und erhielten von der Sowjetischen Militäradministration den Zuspruch, die Ausstellung im ehemaligen Herfurthschen Park durchzuführen. Bereits die dritte Gartenbauausstellung vom 15. bis 26.09.1948 fand auf dem Parkgelände westlich der Pleiße statt.
Die kommenden Ausstellungen bedingten eine zusehende Überformung der Anlage. Für die Ausstellung auf dem Gelände 1948 wurden allein neun Ausstellungshallen, sechs kleinere Ausstellungspavillons und eine Freilandausstellungsfläche eingerichtet. Zwei Eingangsgebäude flankierten von nun ab den Haupteingang, eine Freilichtbühne wurde auf dem Standort des ehemaligen Kleinen Hauses angeordnet, das Weiße Haus wurde zur Gaststätte und in den Obergeschossen zum Gartenbaumuseum umgewidmet. Gastronomie boten darüber hinaus zwei neuerbaute Restaurants – die Heidegaststätte und die Bauernschänke.
Die Ausstellung beschränkte sich bis 1949 auf den westlichen Teil des Parks. Ab 1950 kam das Gebiet östlich der Pleiße hinzu, das eine komplette Umgestaltung erfuhr. In einigen Parkpartien entstanden Sondergärten, die in ihrer Nutzung und Anpflanzung im Laufe der Zeit auch Veränderungen unterworfen waren.
Bekannt und beliebt war bei den Besuchern besonders der Rosengarten, auf der Wiese südöstlich des Teiches, 1954 dehnte sich dieser Garten aus, so dass bis zu 20. 000 Rosen verschiedenster Arten und Sorten zu sehen waren.
Im Zuge der Umgestaltung kamen auch neue zeitgenössische Plastiken wie die „Sinnende”, „Tändelei” und die „Große Sitzende” vom Bildhauer Alfred Thiele zum Einsatz, dem wir auch den Wolf im Wolfswinkel verdanken. Dazu gesellten sich der „Gürtelbinder” von Mathieu Molitor, bekannt durch die Figuren an Auerbachs Keller, Putto auf Delphin” und „Vase mit Reliefschmuck” vom Bildhauer Bruno Eyermann und Helmut Güldner, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.
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1950 bis 1990
Während 1950 die erste Gartenbauausstellung der DDR in Markkleeberg öffnete, fand gleichzeitig auf dem Gelände der technischen Messe in Leipzig die erste Landwirtschaftsausstellung der DDR statt. 1952 wurden beide Veranstaltungen auf dem Markkleeberger Ausstellungsgelände zusammengeführt.
1953 konnte dafür das neue Ausstellungsgelände zwischen Mühlpleiße und Fritz-Austel-Straße, der heutigen Bornaische Straße, das mit einem neuen Haupteingang in Dölitz versehen war, fertiggestellt werden. Im Laufe des Jahres wurden auf dem Gelände zahlreiche Ausstellungshallen und Pavillons errichtet und das Gebiet wurde fortan als Ausstellungsgebiet der Landwirtschaftsausstellung bezeichnet, während die Gartenbauausstellung auf das Gebiet des ehemaligen Herfurtschen Parks beschränkt blieb. Sie rückte in den kommenden Jahren allerdings immer mehr in den Hintergrund, während die Landwirtschaftsausstellung an Bedeutung gewann.
1956 wurde die Landwirtschaftsausstellung als ständige Einrichtung manifestiert und 1958 erstmals mit internationaler Beteiligung (Sowjetunion, VR Polen, CSSR und die VR Ungarn) veranstaltet.
Bis zur politischen Wende 1989 fand auf dem 90 Hektar großen Gelände in mehr als 90 Hallen und Pavillons die agra Landwirtschaftausstellung der DDR statt. Sie zeigte die neueste Technik und Lehrmethoden aus der sozialistischen Landwirtschaft. Die Ausstellung zählte jährlich über eine halbe Million Besucher, darunter zehntausend Besucher aus über 100 Ländern. Die Ausstellungen begleitete auf zahlreichen Bühnen und Terrassen ein umfangreiches kulturelles Programm im Teil des ehemaligen Herfurthschen Parks.
1960 wurde die Gartenbauausstellung nach Erfurt verlegt. Das ehemalige Ausstellungsgelände der Gartenbauausstellung, der Herfurthsche Park, sowie das Gelände östlich der Pleiße außerhalb des Ausstellungsgeländes wurde von da ab überwiegend zu einem Erholungspark ausgestaltet, der der Freizeitgestaltung und gastronomischen Versorgung der Besucher der Landwirtschaftsausstellung sowie der Anwohner diente.
Das Areal nordwestlich der Pleiße wurde grundlegend verändert und zu einem Kinderspielbereich mit Wasserbecken, Sandkästen, und Spielplätzen entwickelt.
Nördlich daran schloss sich am Standort des heutigen Museumsgebäudes der Schulgarten an. Die ehemaligen Freilandausstellungsflächen wurden in die Sommerblumenwiese verwandelt, die von Staudengärten umgeben war. Anstelle der alten entstand nach Plänen des Architekten Heinz Sommer eine neue Parkgaststätte für Gastronomie und Veranstaltungen. Schlanke Säulenkolonnaden im Halbrund und der zentral angeordnete Eingangsbau prägten den neuen gastronomischen und kulturellen Anziehungspunkt, der im Winter besonders als Zentrum der Leipziger Studentenfaschings überregionalen Zuspruch erlangte. Sommers luden eine Terrasse mit Blumenrabatten und ein Freisitz mit Kiosk die Besucher zum Verweilen im Freien ein. Seit 2004 bemüht sich ein privater Investor, der Anlage neues Leben einzuhauchen.
In den Jahren 1957/1958 musste die Hauptachse und das Brunnenrondell vor der Ostfassade des Weißen Hauses den Veränderungen weichen, Besucher wurden auf einen vom Eingang bis zur Pleißebrücke durchgehenden Weg geführt, die Insel im Teich wurde vergrößert und mit Rosen bepflanzt.
Einschneidende Veränderungen erfuhr der Park in den 70er Jahren. Beide Maßnahmen waren bedingt durch den Braunkohleabbau und dem Vordringen des Espenhainer und Zwenkauer Tagebaus/Tagebau Cospuden in das Markkleeberger Stadtgebiet. Frühe Planungen aus den 60er Jahren sahen sogar die Devastierung des agra-Geländes zum Braunkohleabbau vor. Die Ausstellungsverwaltung konnte sich erfolgreich dagegen zur Wehr setzen, worauf die Größe des Tagebaus verringert wurde. Trotzdem brachten die Begradigung der Pleiße und die Verlegung und Zusammenführung der Straßen F 2 und F 95 sowie die dadurch erfolgten Baumaßnahmen den Verlust vieler Elemente des ursprünglichen Herfurthschen Parkes mit sich. Die neue 1972 fertiggestellte Schnellstraße verlief mitten durch den Park auf dem östlichen Ufer der Pleiße auf einer 360 Meter langen und 24 Meter breiten Hochstraße. Der Rosengarten und Teile der Gärtnerei mussten dafür weichen.
Die Pleiße durchfloss jetzt in einem geraden Flussbett das Gelände, an der südlichen Parkgrenze wurde ein neues Wehr errichtet. Der ehemalige Wehrkessel blieb noch als Teich erhalten, an dessen Ufer weiterhin der Antentempel steht. Der zentrale Teich wurde im Zuge der Veränderungen neu gestaltet, indem die Ein- und Ausbuchtungen des Ufers abgeflacht und im Norden der Teich vergrößert und eine Brücke angelegt wurde.
1986 wurde eine allerdings kaum verwirklichte Bebauungsleitplanung für das agra-Gelände entwickelt, deren Ziel eine Rekonstruktion und Aufwertung des Parks war.
1989 fand die letzte Landwirtschaftsausstellung der DDR statt, danach brach für die Parkanlage inklusive des Weißen Hauses wiederum eine neue Zeitrechnung an.
Bis 1981 nutzte die agra-Landwirtschaftsausstellung das Weiße Haus als Büro sowie nach umfassender Renovierung im Inneren 1986/87 als Ministerunterkunft während der Landwirtschaftsausstellungen. Dieser „Renovierung“ fiel leider viel von der einstigen Raumkonzeption zum Opfer, der Spiegelsaal blieb jedoch erhalten.
Nach einer kurzen Nutzung als Hotel erwarb 1996 die Stadt Markkleeberg das Haus. Seitdem ist die Villa ein beliebter Ort kultureller Veranstaltungen. Mit der Verlegung der standesamtlichen Trauungen in das Weiße Haus ist dieses Ambiente mit seinem Glanz und Zauber bei Heiratswilligen aus ganz Deutschland begehrt.
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1990 bis zum heutigen Erholungspark
1990 wurde der Ausstellungsbetrieb in die agra Messepark Betriebsgesellschaft mbH, einer Tochtergesellschaft der Stadt Markkleeberg, überführt. Land- und forstwirtschaftliche Ausstellungen, Tierveranstaltungen und Bauernmärkte sowie ein breites kulturelles, sportliches und informatives Veranstaltungsprogramm führten bis 2003 jährlich Hunderttausende Besucher auf die agra. Zunächst in enger Kooperation mit der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) erlebte die Branche Höhepunkte wie die „DLG-agra” 1991 und 1994, die „agra-spezial” 1993 und, beginnend mit der 1. Sächsischen Tierschau 1996, kontinuierlich im zweijährigen Rhythmus die Erfolgsprojekte „agra” – 1999 und 2001 als Landwirtschaftsausstellungen in Mitteldeutschland (Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen).
Nach der politische Wende entstand im Park ein bedeutender Neubau. Auf dem Gelände des ehemaligen Kinderspielbereiches wurde am 9. Dezember 1993 der Grundstein für den modernen Neubau des Deutschen Landwirtschaftsmuseum gelegt. Der Museumsneubau, finanziert durch Mittel des Bundes und des Freistaates Sachsen war als Außenausstellung des in Stuttgart-Hohenheim ansässigen Landwirtschaftsmuseums im Jahr 1998 fertiggestellt. Bis 2001 wurde hier die Geschichte der DDR-Landwirtschaft anhand von Exponaten, Texten und Bildern dokumentiert, 2003 das Museum geschlossen und die musealen Bestände weitestgehend in das Freilichtmuseum im sächsischen Blankenhain eingegliedert.