Tour-Tagebuch
1.100 Kilometer, sieben Etappen, eine Städtepartnerschaft: 13 Radfahrer haben sich auf dem Weg nach Oullins-Pierre-Bénite gemacht. Auch die Journalistin Gislinde Redepenning ist in einem Begleitfahrzeug mit der Gruppe unterwegs und berichtet jeden Tag von der Tour.
Am Sonntag, den 16. Juni 2024 um 10 Uhr, erfolgte der Start für die Radfahrergruppe vor dem Markkleeberger Rathaus. Ihr Ziel ist die die französische Partnerstadt Oullins-Pierre-Bénite an. Mit dabei ist der ehemalige Friedensfahrt-Teilnehmer Andreas Petermann. Der Markkleeberger Robert Förster, der als Aktiver bei der Tour de France und dem Giro D’Italia in die Pedalen trat, war ebenso am Startpunkt mit von der Partie.
Bis zum 22. Juni 2024 will die Gruppe die Fahrt in die bei Lyon liegende Stadt Oullins-Pierre-Bénite schaffen. Es geht dabei um kein Wettrennen, sondern um gelebte Partnerstadt zwischen den beiden Kommunen.
Der aktuelle Verlauf zum Mitlesen
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Ausführlicher Tourbericht
Ralf Kügler hat die ganze Strecke von Markkleeberg bis Oullins-Pierre-Bénite im Sattel gesessen. Hier ist sein ausführlicher Bericht zu der Tour.
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So, 16. Juni | 1. Etappe: Von Markkleeberg nach Schleusingen (188 km)
Punktlandung im ersten Etappenziel nach rund 188 Kilometern in Schleusingen: 18 Uhr hatte „Regisseur“ Frank Henkel in seinem Drehbuch für den ersten Abschnitt nach Frankreich avisiert, pünktlich auf die Minute trudelten alle kaum erschöpft und hochzufrieden vor dem Hotel ein. Zum Bedauern aller mussten die beiden Fahrer der Motorrad Begleitstaffel Mitteldeutschland, die von Markkleeberg an routiniert alle Kreuzungen abgesperrt hatten, zur ersten Rast in Kranichfeld abdrehen. Von da an forderten die Hügel des Thüringer Waldes dem einen oder anderen einiges ab. Im Zielsprint ging es dann nur noch bergab.
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Mo, 17. Juni | 2. Etappe: Von Schleusingen nach Reichenbach (126km)
Die Tropfen prasselten als Weckdienst gegen die Scheiben. So trübe sich das Wetter zum Frühstück im Schleusinger Hotel präsentierte, so prächtig war die Stimmung.
Radfahrer Ralf Kügler geht spontan unter die Dichter.
"Heute früh der kleine Schauer,
der war nur von kurzer Dauer.
Der Himmel wird jetzt wieder blauer,
Die Sonne liegt schon auf der Lauer
und schenkt uns morgen ihre Power."Pünktlich zum Start lugte die Sonne zwischen den Wolken hervor. Schwungvoll ging es los, bis zur ersten Rast in Hofheim. Danach wurde das Tempo in Richtung Würzburg merklich ruhiger. „Ungebügelt“ präsentierte sich die Strecke, die Hügel nahm nicht jede(r) ganz entspannt. Endspurt zwischen Weinbergen - knapp 40 Kilometer vor dem Ziel wächst die Vorfreude auf ein Gläschen des hier heimischen Rebensaftes und auf die versprochene Pizza. Bis dahin hat Streckenfuchs Frank Henkel abseits der Hauptverkehrsstraßen idyllische Passagen durch malerische Städtchen und entspannte Passagen entlang des Main-Ufers vorbei an Metropolen wie Schweinfurt und Würzburg herausgesucht.
Fazit des zweiten Tages
1. Alle fit, wohlauf und völlig übermütig, also längst nicht ausgelastet.
2. Tolle Unterkünfte bis jetzt, alle sind begeistert -
Di, 18. Juni | 3. Etappe: Von Reichenberg nach Oberderdingen (134 km)
Der Abend war gestern lang, weil der Großteil der Truppe bei einem ausgiebigen Spaziergang durch das Schloß-Städtchen Reichenberg unterwegs war. Bevor es am Morgen bei bestem Radfahrer-Wetter auf die Strecke ging, hatte Fahrer Dieter ein Machtwort gesprochen und das Aufräumen des Begleitbusses angeordnet. Mit vereinten Kräften wurde das Chaos schnell beseitigt - Chef-Organisator Frank Henkel war so begeistert, dass er die neue Busordnung aufs Foto gebannt hat. Im Laufe des Tages gab es zum Glück nur einen kurzen Schauer, der unter dem schützenden Dach einer Tankstelle abgewartet wurde. Gerade wieder auf dem Rad folgte die nächste Zwangspause wegen eines Reifenschadens. Dank der erfahrenen Mechaniker von Grupetto war das kein Problem.
Auf den letzten Kilometern Richtung Quartier im Weingut Kern in Oberderdingen brannte die Sonne vom Himmel, der Schweiß floss in Strömen. Die einen genossen gut gekühlten Weißwein des Hauses, die anderen nutzten den Wasserschlauch zum Abkühlen. Und gingen vor dem Abendessen noch zum Schwimmen.
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Mi, 19. Juni | 4. Etappe: Von Oberderdingen nach Achkarren (184 km)
Leichte Hektik am Morgen wegen des vorgezogenen Starts. Es geht schon um 9 statt um 10 Uhr los. Zum Abschied versteckt der eine oder andere eine Flasche Wein vom Winzer Kern im Begleitauto.
Die Meute hat heute mehr als 180 Kilometer vor sich und möchte pünktlich zum Anpfiff des Deutschland-Spiels im nächsten Hotel in Achkarren ankommen.
Die Jungs sind auf den langen Etappen ziemlich tough. Aber wie tough sind denn die Mädels, bitteschön? Sie sind noch tougher! Bravourös kämpfen Sie sich jeden Berg hoch. Sophie und Anne im blauen Trikot (Bild untere Reihe, Mitte) geben auf dem letzten Stück, das einen kurzen Abstecher nach Frankreich vorsah und dann zurück nach Deutschland ins Quartier führt, "Stoff". Unglaublich malerisch zwischen Weinbergen im Tal gelegen mit hervorragender Küche hatte die Unterkunft alleridings einen kleinen Nachteil: leichte Probleme mit dem weltweiten Netz. In den Dachzimmern war der Empfang wieder prima.
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Do, 20. Juni | 5. Etappe: Von Achkarren bis Saint-Hippolyte (171 km)
Jeden Morgen nach dem Frühstück das gleiche Prozedere: Fahrradpflege, Reifen flicken, Kette putzen. Ein Riesen-Vorteil und Luxus, dass Mechaniker mitfahren. Akribisch kümmert man sich um die kleinen Details.
Für die fünfte, lange Etappe über 171 Kilometer nach Saint-Hippolyte verheißen die Meteorologen viel Nass von oben. Bei der jetzt "offiziellen" Einfahrt nach Frankreich ist es noch trocken.
Nach malerischen Ausblicken rund um den Kaiserstuhl ist der erste Abschnitt heute noch flach und entspannt. Streckenfuchs Frank Henkel hat aber eine besondere Herausforderung eingebaut - einen Abstecher zum „Grand Ballon“. Auf dem Weg dahin zerpflückt sich das Feld.
Geschafft! Mit großen Abständen kommt die Gruppe nach einem spannenden Bergzeitfahren auf dem Gipfel des Grand Ballon an. Großer Belchen heißt der mit 1424 Metern höchste Berg der Vogesen. Während für die Meisten der Weg das Ziel ist, wird vorne um jede Radlänge gekämpft. Der Markkleeberger Tierarzt und Triathlet Chris fährt Kilometer um Kilometer vorne und kontert jeden Angriff des Grupetto-Teams. Chris leert jede seiner Trinkflaschen in die Prärie, um kein überflüssiges Gramm mit nach oben zu schleppen. Mirco fightet grandios, aber vergeblich. Tibor kämpft sich im Windschatten des Begleitfahrzeugs an Chris heran, bleibt chancenlos. An der „Flamme Rouge“ ist klar, dass sich der Neu-Markkleeberger den Sieg nicht nehmen lässt. Bergab sind alle wieder beieinander.
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Fr, 21. Juni | 6. Etappe: Von Saint-Hippolyte nach Moirans-en-Montaigne (167 Km)
Angesichts des trüben Wetters beim Start zur vorletzten Etappe von Saint-Hippolyte nach Moirans-en-Montagne schmunzelte Frank Henkel: „Abfahrtselend“.
„Das Auge fährt heute mit“, hatte er dem Team zudem versprochen. Das stimmte bis zum ersten heftigen Regenschauer. Kurz anhalten zum Anziehen der Regenjacken, dann ging es zügig weiter. Ein paar Minuten später war es wieder trocken und es blieb Zeit, die landschaftliche Idylle zu genießen.
Eigentlich hätte es die Etappe der schönen Ausblicke mit einer Rast am See werden sollen, doch der Wettergott machte allen einen Strich durch die Rechnung. An- und Ausziehen der Regenbekleidung wechselten sich ab. Völlig durchgefroren kamen die Radfahrer und Radfahrerinnen beim Stopp in Pontarlier an.
Fazit: Die vorletzte Etappe hat dem Fahrerfeld in einigen Phasen alles abverlangt. Nach den Schauern war frösteln und frieren angesagt. Bei einer Pause unter dem Vordach eines Supermarktes wurden die nassen Klamotten gewechselt. Wohl denen, die in weiser Voraussicht ein zweites Paar Rennschuhe eingepackt hatten. Der ehemalige Weltmeister und Friedensfahrer Andreas Petermann hat gezeigt, dass er nichts verlernt hat und leistete in der ganzen Woche viel Führungsarbeit. So manches Mal vermochten ihm die weitaus jüngeren Kerle nicht folgen.
Er hatte schon im Vorfeld gemeinsam mit Markkleebergs ehemaligen Radprofi Robert Förster bei einer Versteigerung von ausgewählten Trikots aus der sportlichen Vergangenheit beider einen Obolus zum Etat der Reise beigesteuert. Liebhaber konnten bei einer Auktion im Rahmen des Markkleeberger Wirtschaftsempfangs beispielsweise Försters einziges Bergtrikot erstehen. Der schnelle Sprinter, der mehrfach bei der Tour de France und beim Giro d’Italia dabei war, glänzte in seiner Karriere vor allem auf den flachen Etappen. Petermann hat unter anderem den Zeitfahranzug geopfert, in dem er 1979 bei den Weltmeisterschaften im 100 Kilometer Mannschaftszeitfahren als Sieger im vierköpfigen DDR-Team über die Ziellinie gerollt ist. Die Straßen Frankreichs kennt er als Rennfahrer bestens. So hat er 1982 zwei Etappen der Tour de l‘Avenir gewonnen und sich dabei gegen hochkarätige Profis durchgesetzt.
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Sa, 22. Juni | 7. Etappe: Von Moirans-en-Montaigne nach Oullins-Pierre-Bénite (130 km)
Der letzte Tag auf den Rädern und wieder einmal gießt es morgens aus Kübeln. Gegen 11 Uhr ist der Spuk vorbei, das Auto wird eingeräumt, von Moirans-en-Montagne erfolgt der letzte Start auf die rund 130 Kilometer lange Schlussetappe in Richtung Lyon nach La Mulatiere. Hier warten die beiden am Vortag angereisten Markkleeberger Stadtchefs auf die inzwischen wieder durchnässten Etappenradler.
Oberbürgermeister Karsten Schütze lobte den „überaus herzlichen Empfang“. Trotz des Regens scheine symbolisch im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft die Sonne, bemerkte er. Angeführt von einem Fahrzeug, weithin sichtbar geschmückt einer deutschen und einer französischen Fahne, hatte er mit Bürgermeister Olaf Schlegel die letzten Kilometer in einem großen Feld mit französischen Rennfahrern aus dem örtlichen Verein gemeinsam zurückgelegt.
„Ihr habt Markkleeberg nach Frankreich getragen, wir haben das gerne unterstützt, eine mutige und ganz besondere Aktion“, sagte er. Dank gehe auch an die Sponsoren. Im Gepäck hatte Schütze Gastgeschenke, ein eigens für die Etappenfahrt entworfenes Shirt mit den Unterschriften aller Akteure für Tino Recchia, den Vorsitzenden des Städtepartnerschaftsvereins, und ein Trikot samt Autogrammkarte vom Markkleeberger Radprofi Robert Förster für den sportbegeisterten Bürgermeister Jérôme Moroge.
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So, 23. Juni | Aufenthalt vor Ort und Abschied
„Wir sind wie die Könige empfangen worden, man hat uns verwöhnt und wir haben viel Herzlichkeit erlebt“, sagte Oberbürgermeister Karsten Schütze zum Abschied nach einem aufregenden Sonntag.
Mit der Metro ging es im Linksverkehr und fahrerlos unter der Führung unserer Gastgeber nach Lyon in die drittgrößte Kernstadt des Landes hinter Paris und Marseille. Die malerische Altstadt Lyons, von der UNESCO 1998 zum Weltkulturerbe ernannt, lud zum Bummeln ein. Vom benachbarten Fourviere-Hügel mit einer beeindruckenden römisch-katholischen Wallfahrtskirche konnte man einen grandiosen Blick weit über die Silhouette Lyons genießen. Da die Schlange der Wartenden am Eingang zur Standseilbahn unendlich schien, machte sich ein Teil der Gruppe über viele Stufen zu Fuß auf den Weg nach oben. Die Anstrengung hat sich definitiv gelohnt.
Gastronomisch wurden die Markkleeberger von ihren Gastgebern fürstlich verwöhnt und durften Köstlichkeiten und Spezialitäten der regionalen und französischen Küche probieren.
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Mo, 24. Juni | Heimreise und Erinnerungen
Mit Erinnerungen an eine aufregende Woche ging es im Zug, im TGV INOUI, zurück in die Heimat. Sehnsüchtig schweiften die Blicke über die vorbeiziehende Landschaft und sogar auf so manchen nun bekannten Radweg. Zugfahren ist eindeutig langweiliger als Radfahren - und die Radfahrer waren die ganze Woche über eindeutig pünktlicher am Ziel. In Frankfurt war eine kleine Sprinteinlage nötig, um den Anschlusszug zu erreichen.
Dieter am Steuer des Stadtmobils blieb alle Tage stoisch zur Sicherheit hinter der Gruppe, wenn diese auf der Straße und nicht auf einem Radweg fuhr. Sein schönstes Erlebnis hatte er in Oberderdingen. Als Andreas Petermann nach einem langen Tag bei strahlendem Sonnenschein auf dem Hof bei einem Glas Rosé Platz genommen hatte, wurde er vom Winzer Michael Kern als der ehemalige Weltmeister erkannt. Es habe schon einmal ein Radsport-Weltmeister bei ihm genächtigt, der sei aus Leipzig gekommen, erzählte er. Kern kramte sein Gästebuch hervor und zur großen Überraschung von Andreas und Dieter handelte es sich um Erich Stammer (1925-2014). Er war beim SC DHfK Leipzig Ende der 1960er-Jahre der erste Trainer der damals Jugendlichen. Mit gleichgesinnten „Leipziger Rad-Wettsausern“ war Stammer 2003 vor Ort zu Gast. Stammer nahm nach seiner aktiven Karriere als Senior alljährlich an den Masters-Weltmeisterschaften in St. Johann/Tirol teil und sicherte sich 1995 und 1999 jeweils den Titel.
Deutsch-Französischer Bürgerfonds
Das Projekt konnte dank freundlicher Unterstützung des Deutsch-Französischen Bürgerfonds verwirklicht werden. Der Deutsch-Französische Bürgerfonds berät, vernetzt und finanziert Projekte, die die deutsch-französische Freundschaft und Europa in der Breite der Bevölkerung erlebbar machen. Er fördert eine Vielzahl an Formaten und Themen, ist niedrigschwellig und steht allen Akteuren der Zivilgesellschaft offen.
Der Bürgerfonds geht auf den im Jahr 2019 zwischen Deutschland und Frankreich geschlossenen Vertrag von Aachen zurück und wurde im April 2020 errichtet. Er wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) umgesetzt und wird zu gleichen Teilen von der Bundesregierung und der französischen Regierung finanziert.